Warum Abwarten so schwer ist
Jeden Dienstagabend erhält mein Sohn Gitarrenunterricht. Jeden Dienstag ist es das gleiche Spiel: Abfahrt um kurz vor halb sieben und hinein in den Feierabendverkehr. Wir haben dann die Option, ob wir durch die Stadt fahren (der Weg ist kürzer, aber es herrscht sehr viel Verkehr) oder fahren wir über die Umgehung (viel länger aber weniger Autos). Und meistens wähle ich den langen Weg obwohl ich sehr genau weiß, dass ich dadurch nicht schneller bei der Musiklehrerin bin. Die Frage ist doch dabei: „Warum wähle ich den Aktionismus, auch wenn er mir nichts nützt?
Ein anderes Beispiel: Jugendliche geraten beim Feiern aneinander und randalieren vor der Kneipe. Die Situation droht zu eskalieren und Anwohner rufen die Polizei. Wenn die Jugendlichen jetzt Glück haben, dann kommen ältere Polizisten, um die Situation zu klären. Kommen junge, unerfahrene Beamte gehen solche Streitigkeiten sehr oft weniger glimpflich aus und es kommt regelmäßig zu Verletzungen. Dienstältere Beamte beobachten in der Regel die Situation, halten sich zurück und greifen erst dann ein, wenn es unbedingt sein muss. Jüngere Polizisten greifen sofort ein und reagieren in der Regel übereifrig - mit Aktionismus. Das Belegen auch Studien: Dort, wo Polizisten erstmal abwarten, gibt es weniger Verletzte und weniger Anzeigen.
Der Grund liegt vermutlich tief in unserer Vergangenheit. Wenn früher Gefahr aus dem Dickicht auftauchte, war es sehr viel besser schnell zu verschwinden, als lange darüber nachzudenken, was denn so alles passieren könnte. Langes Warten hatte die Konsequenz, dass man in der Nahrungskette nicht mehr an erster Stelle stand. Dem Schnelleren gehörte die Zukunft, er hatte größere Überlebenschancen. Und dieses Verhalten hat sich im Laufe der Evolution in unser Gehirn gebrannt. Doch heute funktioniert unsere Welt anders. Heute lohnt es sich nachdenken.
Der große Nachteil des ruhigen Nachdenkens - es werden keine Helden geboren. Man bekommt ein Denkmal gesetzt, wenn man in einer spektakulären Situation die Welt oder die Firma gerettet hat. Wenn man Entschlossenheit und Mut demonstriert, dann wird man Held der Arbeit oder Mitarbeiter des Jahres. Kommt man durch überlegtes und ruhiges Handeln erst gar nicht in die Situation, wird selten jemand vorbeikommen und einem auf die Schulter klopfen. Deshalb ziehen wir Aktionismus dem planvollen Abwarten vor.
Wenn Sie also das nächste Mal den Drang verspüren irgendetwas tun zu müssen, dann schalten Sie erstmal einen Gang zurück und warten sie ab. Oft ist das die bessere Wahl. Denn tendenziell handeln wir zu oft und zu schnell. Vor allem wenn die Situation unklar ist, sollten sie abwarten und nichts tun, bis mehr Klarheit herrscht. Erst wenn die Situation besser eingeschätzt werden kann, erst dann lösen sie die Aufgabe – ruhig und besonnen. Und feiern dann Ihren Erfolg, zur Not auch alleine.
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